Tischlein, deck dich!

Tischlein, deck dich!

#200 Alles für die Masse

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200 Grohn und Marx

Fakt des Tages: Es gibt immer genug zu reden

Alles für die Masse!

Heute wieder einmal vorgelesen:

Marlon Grohn — Kommunismus für Erwachsene, Das Neue Berlin, 2019

Zitat S. 125

Das kindliche Bewusstsein ist noch kein ganzes, es ist momenthaft, launisch, nur vereinzelt schon entwickelt, kurz: noch fragmentarisch. Das Festhalten an diesem Bewusstsein im Erwachsenenalter besiegelt die Unmündigkeit, deren Ausdruck nahezu all jene Formen sind, die die autonome Emanzipations-Kultur ausmachen (vom letzten Einhorn über die Romantik von Tocotronic-Songs bis hin zu allgemeinen Slogans gegen die Erwachsenenwelt). Das Kind weiß noch nicht, was es bedeutet, erwachsen sein zu können. Das Kind sieht sich auch nicht als schon in Entwicklung begriffenen Erwachsenen, sondern stets als Kind.
Kindisch bedeutet, man will allles oder gar nichts; den fertigen Kommunismus oder den Untergang in der Barbarei, dazwischen ist nichts. Die Hände sollen so sauber bleiben wie die Theorie frei von Realität. Man will von Frankfurt (Kapitalismus) nach Hamburg (Kommunismus), aber wenn der Zug (Revolution) nur bis nach Bremen (Realsozialismus) fährt und man von da aus selber sehen muss, wie man weiterkommt, möchte das Kind lieber gar nicht mehr fahren und stattdessen zuhause bleiben, wo ihm aber das Haus (Existenz innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft) unterm Hintern zusammenbricht. Das ist entweder gnadenlose Dummheit oder eben — und das ist zu befürchten — der Beweis dafür, dass das kindische, i.e.: herrschaftskritische Individuum in Wirklichkeit gar nicht auf die Reise gehen will: Wer in der Wüste verdurstend nicht nach dem angebotenen Glas Wasser greift, weil er lieber Limonade hätte, ist nicht mehr zu retten. Und unsere Welt, das ist diese Wüste — wer anderes annimmt, ist Romantiker, der von seinen kindlichen Illusionen über die Beschaffenheit der Welt einfach nicht abrücken will.

Zitat Ende

Zweiter vorgelesener Abschnitt von Grohn:

S. 131

Die Herrschaft Mensch über Mensch wurde optimiert zur Herrschaft Klasse über Klasse, vermittelt durch Gesetze. So lassen sich selbst bei sorgfältigster Suche keine Einzelverantwortlichen für die Gesamtmisere mehr finden.
Mitgliedern der herrschenden Klasse ermöglicht das, sich mit Weiterleitung an den nächsten Erfüllungsgehilfen der Bourgeoisie oder eben an die Justiz aus der Affäre zu ziehen.
Aber die Herrschaftskritiker antibolschewistischen Zuschnitts interessiert das nicht. Sie verbleiben in der klassisch idiotischen Vorstellung, es ließen sich einzelne Kapitalisten als Individuen liquidieren und damit sei die Macht beendet. Man muss die Kapitalisten aber als Klasse liquidieren, was ersteres natürlich einschließt, aber als bloß notwendige, nicht hinreichende Bedingung. Man kann natürlich alle Kapitalisten eines Landes erschießen. Der Kapitalismus liefe dann aber trotzdem weiter wie gehabt. Man kann andererseits die sozialistische Parteiherrschaft etablieren udn ein Gesetzeswerk errichten, welches das Treiben der Kapitalistenklasse verbietet, sie gleichzeitig enteignen und einzelne ihrer Vertreter in Haftanstalten überführen. Das ist dann die hinreichende Bedingung für die Beendigung der Kapitalistenherrschaft.
Es ist aber innerhalb der irrigen, durch und durch romantischen, also sich selbst fortwährend täuschenden und in Naivität haltenden Logik der Herrschaftskritik schlüssig, dass man nichts davon wissen will, inwiefern und warum es in bürgerlichen Gesellschaften eine Herrschaft der Gesetze gibt, die im Interesse einer Klasse existieren und letztlich eine Form von Klassenherrschaft ausmachen, welche schon qua bloßer Existenz der bourgeoisen Klasse und ihrer Verwaltungsmechanismen nebst den Mitteln der sozialen Gewohnheiten ihr Vorhandensein zementiert.
Es ist dann auch nur konsequent, wenn Anarchisten nicht die Klasse bekämpfen, sondern einzelne Menschen, wie das von RAF, Polizistenverprüglern und sonstigen Autonomen ja hinlänglich bekannt ist.

Trotzdem wollen viele dieser Spinner wie selbstverständlich Kommunisten sein. Aber ihre fragmentierende, undialektische Weltsicht erlaubt es ihnen nur Anarchisten mit schlecht aufgeschminkter Marxistenmaske zu sein. Es ist das bürgerliche Schaf, das sich für einen kommunistischen Wolf hält, weil es ein paar Marx-Zitate auswendig blöken kann.

Fußnote 73, S. 262:

Zu dieser spezifischen Verblödungssorte hat der verdiente realpolitische Genosse Wassirionowitsch (Stalin) alles Nötige gesagt:
»Manche sind der Auffassung, der Marxismus und der Anarchismus hätten ein und dieselben Prinzipien, es gäbe zwischen ihnen lediglich taktische Meinungsverschiedenheiten, sodass es ihrer Meinung nach ganz unmöglich sei, diese beiden Strömungen gegenüberzustellen.
Dies ist aber ein großer Irrtum. Wir sind der Auffassung, dass die Anarchisten richtige Feinde des Marxismus sind. Wir erkennen also auch an, dass man gegen richtige Feinde einen richtigen Kampf führen muss. Deshalb ist es notwendig, die Lehre der Anarchisten von Anfang bis Ende zu untersuchen und sie von allen Seiten gründlich zu erwägen. Die Sache ist die, dass der Anarchismus und der Marxismus sich auf völlig verschiedenen Prinzipien gründen, obgleich beide unter sozialistischem Banner in der Kampfarena erscheinen. Der Grundstein des Anarchismus ist die Persönlichkeit, deren Befreiung seiner Ansicht nach die Hauptbedingung für die Befreiung der Masse, des Kollektivs, ist. Nach Ansicht des Anarchismus ist die Befreiung der Masse unmöglich, solange die Persönlihckeit nicht befreit ist, weshalb seine Losung lautet: Alles für die Persönlichkeit!
Der Grundstein des Marxismus dagegen ist die Masse, deren Befreiung seiner Ansicht nach die Hauptbedingung für die Befreiung der Persönlichkeit ist. Das heißt, nach Ansicht des Marxismus ist die Befreiung der Persönlihckeit unmöglich, solange die Masse nicht befreit ist, weshalb seine Losung lautet: Alles für die Masse.«

Stalin: Anarchismus oder Sozialismus, Werke, Band 1, S. 257, Berlin 1950
Hier zitiert nach: http://www.mlwerke.de/st/st01/st01_257.htm

(Und Stalin hatte eben damals noch gut reden, weil solch ein Blödsinn heute ja bei weitem nicht mehr nur für Anarchisten, sondern selbst für einen Großteil derer, die sich Marxisten nennen, zutrifft. Die Idiotie des Fragments, die Vernichtung von durch Realität belastbaren Kriterien, die libertäre Leichtgläubigkeit und kindische Arglosigkeit gegenüber der Brachialität des liberalen Systems in der Linken haben dazu geführt, dass man kaum noch Zeit hat, sich mit den bürgerlichen Feinden des Marxismus auseinanderzusetzen, weil schon die Begriffsapparate der Linken so sturmreif geschossen wurden, dass man ständig dazu gezwungen ist, hier den Marxismus gegen seine idealistischen Anhänger zu verteidigen.)

Ende der Fußnote.

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Liebes hörendes, lesendes und sonstiges Volk!

Ich begrüße euch ganz herzlich, insbesondere die junge Generation. Denn sie gilt es, heranzuziehen und zu fähigen und begriffsstarken Kommunisten auszubilden. Das ist nicht an einem Tag zu schaffen, aber mein Podcast kann für diese jungen Geister ein Lektüreleitfaden und einen ersten Berührungspunkt mit dem Kommunismus darstellen.
Insbesondere die Arbeiter in den Cafés und sonstigen Betrieben grüße ich herzlich. Denn zwei von euch händigte ich vergangene Woche einen Zettel mit meiner Podcast-URL aus, ähnlich einer Visitenkarte etwas primitiveren Typs. Jedenfalls habe ich dadurch schon die Schranke meiner Schüchternheit überschritten und freue mich, wenn ihr zuhört oder sogar über in Zukunft mögliche Rückmeldungen zu meinem Podcast.

Aber die Spaltung zwischen öffentlicher und privater Person wird bei mir weiter Bestand haben, darauf bestehe ich und anders geht es auch gar nicht, allein schon aus Selbstschutz, um mich gegen das Unrechtsregime des Liberalismus zu wehren, muss ich den Graben, die Burgmauer zwischen meiner öffentlichen Expressivität und meiner privaten Zurückhaltung, Hemmung und Schüchternheit weiter festigen.
Mit dieser Fortifikation, die eine ganz klare Trennlinie oder Scheidelinie zwischen öffentlich und privat markiert, verschaffe ich mir Freiraum und gedankliche Autonomie, entkomme den Begriffsnetzen des Liberalismus, der uns alle knechtet.

Jedenfalls danke ich ich den Arbeitern in den diversen Cafés, die ich frequentiere, für eure Arbeit, da ihr so immer wieder das perfekte Umfeld für mein Produzieren schafft. Dort kann ich mich in Ruhe hinsetzen und schreiben und bleibe dank der leckeren Kaffees oder Säfte ausreichend hydriert und kann so meine Gedanken aus dem Hirn durch die Finger über die Tastatur in Schriftform niederlegen.

Die ältere Generation, zu der auch meine Eltern zählen, grüße ich ja auch, kann aber nur sagen, dass ich bei euch wenig Hoffnung hege, viel bewirken zu können durch meine dialektische Geistesarbeit, da eure Gedankenmuster schon zu verfestigt sind und ihr daher vermutlich Gefangene des liberalen Begriffsnetzes bleiben werdet. Aber ihr dürft ja trotzdem zuhören und euch zu provozieren ist ja schon mal ein Ergebnis, wenn auch noch kein sonderlich produktives, meines Podcasts.

Wiederum fabulierte ich in dieser Folge über ein mögliches Streichen oder Zensieren vergangener Folgen. Aber es genügte bereits, mir den Frust über das unverständige Publikum von der Seele zu reden, die Folgen wurden dann ja doch publiziert.

Jedenfalls kann ich als lernender Marxist und angehender Kommunist, der sich bei den Großen und Verdienstvollen des Kommunismus weiter bildet und ihre Lehren studiert und dialektisch auf heutige Verhältnisse anzuwenden versucht, nur ausrufen: Alles für die Masse! Alle Hände müssen ineinander greifen, die feingranulierte Arbeitsteilung zwingt uns zur Arbeitsteilung. Dieser gesellschaftliche Charakter der Arbeit muss noch in politische Repräsentation gegossen werden. Per Revolution wollen wir den heute vorherrschenden beschränkten Charakter der einerseits öffentlichen Produktion unter Ausnutzung und Ausbeutung der Arbeiter und andererseits der privaten Aneignung der Früchte der Arbeit durch den Kapitalisten (oder Bourgeois) überwinden und so die herrschenden Widersprüche und antagonistischen Kämpfe, die aus der Klassenherrschaft der Bourgeoisie und Unterdrückung der Arbeiterklasse hervorgehen, langsam durch einen langwierigen historischen Prozess aufheben.

Denn ich kann ja nicht befreit schreiben, oder zumindest nicht in vollem, ruhigem, klaren Bewusstsein, der Grundlagen meiner Existenz sicher, um von diesem sicheren Standpunkt aus mutig die Zusammenhänge der Welt schriftlich zu durchdringen, solange ich nicht weiß, dass die Arbeiter neben mir, die die notwendigen Verrichtungen vollbringen, die mir erlauben, auf diesem Stuhl, an diesem Tisch Platz zu nehmen, meinen Laptop aufzuklappen und loszuschreiben, und nebenbei etwas zu trinken, eben nicht in Ruhe und Frieden arbeiten können sondern vom Unrechtsregime des Bourgeois gehetzt werden und eben keine »paradiesischen Rechte am Arbeitsplatz« (Schernikau) wie in der DDR genießen können sondern so drangsaliert, entfremdet und auf ihre stupiden Arbeitsschritte festgelegt sind, dass die Arbeit sie ganz auszehrt und leer und ermattet zurücklässt, sodass selbst die verbleibende Freizeit ungenießbar wird und man sich nur nach der Lohnarbeit zurücksehnt, mag sie auch noch so stumpf sein, aber immerhin gibt sie einem ja etwas zu tun, einen Inhalt, nicht bloß die Leere und Verödung der vom Liberalismus fetischisierten »Freiheit«.

Und eben deshalb sind meine Schriften und sonstigen geistigen Arbeiten noch unvollkommen, weil ja auch die Welt unvollendet ist und der Kommunismus noch nicht erkämpft und errungen wurde. Aber wir Kommunisten sind stark, schon heute agieren wir in kleinen Zirkeln, meist unbemerkt von der großen Bevölkerungsmasse treiben wir dort das Studium der Klassiker des Marxismus und die Erarbeitung der Revolution voran.

Doch natürlich brauchen wir weitere Mitstreiter, da wir auf die Masse zielen, müssen wir auch vermehrt einzelne dieser Massenpunkte oder Individuen rekrutieren und für uns gewinnen. Und so lade ich euch alle herzlich ein, einfach mal reinzuschnuppern in einen Gruppenabend oder eine Mitgliederversammlung der DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei, deren Mitglied zu sein ich mich rühmen darf.

Vorlesung des Marx-Textes »Zur Judenfrage«:

http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_347.htm

Die politische Emanzipation des Juden, des Christen, überhauptdes religiösen Menschen, ist die Emanzipation des Staats vom Judentum, vom Christentum, überhaupt von der Religion. In seiner Form, in der seinem Wesen eigentümlichen Weise, als Staat emanzipiert sich der Staat von der Religion, indem er sich vonder Staatsreligion emanzipiert, d.h., indem der Staat als Staat keine Religion bekennt, indem der Staat sich vielmehr als Staat bekennt. Die politische Emanzipation von der Religion ist nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Emanzipation von der Religion, weil die politische Emanzipation nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Weiseder menschlichen Emanzipation ist,
Die Grenze der politischen Emanzipation erscheint sogleich darin, daß der Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne daß der Mensch wirklich von ihr frei wäre, daß der Staat ein Freistaat sein kann, ohne daß der Mensch ein freier Mensch wäre. Bauer selbst gibt dies stillschweigend zu, wenn er folgende Bedingung der politischen Emanzipation setzt:
»Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche, müßte aufgehoben, und wenn einige oder mehrere oder auch die überwiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen selbst überlassen sein«. Der Staat kann sich also von der Religion emanzipiert haben, sogar wenn die überwiegende Mehrzahl noch religiös ist. Und die überwiegende Mehrzahl hört dadurch nicht auf, religiös zu sein, daß sie privatim religiös ist. Aber das Verhalten des Staats zur Religion, namentlich des Freistaats, ist doch nur das Verhalten der Menschen, die den Staat bilden, zur Religion, Es folgt hieraus, daß der Mensch durch das Medium des Staats, daß er politisch von einer Schranke sich befreit, indem er sich im Widerspruch mit sich selbst, indem er sich auf eine abstrakte und beschränkte, auf partielle Weise über diese Schranke erhebt. Es folgt ferner, daß der Mensch auf einem Umweg, durch ein Medium, wenn auch durch ein notwendiges Medium sich befreit, indem er sich politischbefreit. Es folgt endlich, daß der Mensch, selbst wenn er durch die Vermittlung des Staats sich als Atheisten proklamiert, d.h., wenn er den Staat zum Atheisten proklamiert, immer noch religiös befangen bleibt, eben weil er sich nur auf einem Umweg, weil er nur durch ein Medium sich selbst anerkennt. Die Religion ist eben die Anerkennung des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine ganze religiöse Befangenheit aufbürdet, so ist der Staat der Mittler, in den er seine ganze Ungöttlichkeit, seine ganze menschliche Unbefangenheit verlegt.

(bis hierher las ich, aber der gesamte Text ist höchst interessant und anregend)

|354| Die politische Erhebung des Menschen über die Religion teilt alle Mängel und alle Vorzüge der politischen Erhebung überhaupt. Der Staat als Staat annulliert z.B.das Privateigentum, der Mensch erklärt auf politische Weise das Privateigentumfür aufgehoben, sobald er den Zensus für aktive und passive Wählbarkeit aufhebt, wie dies in vielen nordamerikanischen Staaten geschehen ist. Hamilton interpretiert dies Faktum von politischem Standpunkte ganz richtig dahin: »Der große Haufen hat den Sieg über die Eigentümer und den Geldreichtum davongetragen.« Ist das Privateigentum nicht ideell aufgehoben, wenn der Nichtbesitzende zum Gesetzgeber des Besitzenden geworden ist? Der Zensus ist die letzte politische Form, das Privateigentum anzuerkennen.
Dennoch ist mit der politischen Annullation des Privateigentums das Privateigentum nicht nur nicht aufgehoben, sondern sogar vorausgesetzt. Der Staat hebt den Unterschied der Geburt, des Standes, der Bildung, der Beschäftigung in seiner Weise auf, wenn er Geburt, Stand, Bildung, Beschäftigung für unpolitische Unterschiede erklärt, wenn er ohne Rücksicht auf diese Unterschiede jedes Glied des Volkes zum gleichmäßigen Teilnehmer der Volkssouveränität ausruft, wenn er alle Elemente des wirklichen Volkslebens von dem Staatsgesichtspunkt aus behandelt. Nichtsdestoweniger läßt der Staat das Privateigentum, die Bildung, die Beschäftigung auf ihre Weise, d.h. als Privateigentum, als Bildung, als Beschäftigung wirken und ihr besondres Wesen geltend machen. Weit entfernt, diese faktischen Unterschiede aufzuheben, existiert er vielmehr nur unter ihrer Voraussetzung, empfindet er sich als politischer Staat und macht er seine Allgemeinheit geltend nur im Gegensatz zu diesen seinen Elementen. Hegel bestimmt das Verhältnis des politischen Staats zur Religion daher ganz richtig, wenn er sagt:
»Damit […] der Staat als die sich wissende sittliche Wirklichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seine Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens notwendig; diese Unterscheidung tritt aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung kommt; nur so über die besondern Kirchen hat der Staat die Allgemeinheit des Gedankens, das Prinzip seiner Form gewonnen und bringt sie zur Existenz« (Hegels Rechtsphilosophie, 1. Ausgabe, p. 346).
Allerdings! Nur so über den besondern Elementen konstituiert sich der Staat als Allgemeinheit.
Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materiellen Leben. Alle Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, |355| führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d.h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt.


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Über diesen Podcast

Liebe Hörer*innen,
warum braucht es noch einen Podcast?
Vor allem wollte ich dem ersten Artikel der amerikanischen Verfassung gerecht werden, wie er von Adam Curry formuliert wurde: You shall not make bad TV.
Es sollte unser erster Anspruch sein, mal ein besseres, unterhaltsameres Medienangebot bereitzustellen, denn was sonst so in den Massenmedien stattfindet, ist für mich nicht akzeptabel und schädigt mich immer weiter, indem es meine innere revolutionäre Kraft hemmt und uns einhämmern will, es gäbe keine Alternative zum Gegebenen, Revolution sei verboten…

Friedrich Nietzsche brachte wohl das zwiespältige Gefühl, meine Gedanken mit mehr Menschen teilen zu wollen, im Nachtlied des Zarathustra am besten auf den Punkt: 
„Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen.
Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.
Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir, das laut werden will. Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe.
Licht bin ich: Ach dass ich Nacht wäre! Aber dies ist meine Einsamkeit, dass ich von Licht umgürtet bin.
Ich lebe in meinem eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen. 
Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht und oft träumte mir davon, dass Stehlen noch seliger sein müsse als Nehmen.
Das ist meine Armut, dass meine Hand niemals ausruht vom Schenken; das ist mein Neid, dass ich wartende Augen sehe und die erhellten Nächte der Sehnsucht.
Wer immer austeilt, dessen Gefahr ist, dass er die Scham verliere; wer immer austeilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austeilen.
Viel Sonnen kreisen im öden Raum: zu allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte — mir schweigen sie.
Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen, kalt gegen Sonnen — so wandelt jede Sonne.
Einem Sturme gleich wandeln die Sonnen in ihren Bahnen. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.
O ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! O ihr erst trinkst euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern!
Nacht ist es: ach, dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nachtigern! Und Einsamkeit!
Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen — nach Rede verlangt mich.“

Ja mein Podcast ist eine Quelle der Lebenskraft für mich selbst und vielleicht jetzt auch für euch. Aber ich möchte betonen, dass es selbstverständlich sein sollte, was ich mache und mein Trieb zum Podcasten speist sich einfach aus dem Drang, nicht der Herde zu folgen, eigene Wege zu gehen durchs eisige Gebirge des Denkens.
Das ist meine Kälte, dass die anderen Sonnen in der Medienlandschaft für mich nicht leuchten und nur schales, langweiliges Flackern von ihnen ausgeht, sodass ich selbst produktiv werden musste, allein schon um selbst auch wieder bessere Podcasts genießen zu können als das was die Podcastlandschaft sonst so bietet.

Erwartet bitte keine Wunder von meinem Podcastwerk, es ist eben keine Milch, kein Labsal, sondern wird es erst wenn ihr es in euren Ohren dazu macht. Das heißt, wenn ihr meine Podcasts zu sehr vergöttlicht, dann tut ihr ihnen unrecht und überseht meine eigentliche Botschaft, dass nämlich gerade die Dunkelheit und das Unklare erforscht werden sollten und immer wieder unsere Neugier anstacheln, nicht das bekannte, wohlige Glück.
Der gesunde Menschenverstand ist eine Geisteskrankheit; ich widme mich lieber meinen eigenen, esoterischen Verrücktheiten, als in die Jauchegrube Twitter hinabzusteigen und dort bei den "Vernünftigen" mit zu diskutieren. Dasselbe erwarte ich von euch.

Um nicht wie Nietzsche zu enden, ist es jetzt wirklich höchste Zeit, meine Mitwelt in meine Gedankenausflüge einzubeziehen, der Mensch als soziales Tier braucht immer die Bestätigung und Anerkennung von anderen. Kommentiert gern auf der Podigeeseite und seid nicht zu zimperlich bei eurer Kritik.

von und mit Simon

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