#205 Da wächst zusammen, was zusammengehört
205
Lukian von Samosata: Wahre Geschichten
Interview Genie — Körper
Cassiopeia
SPD — Deutsche Sozialbourgeoisie
Althusser über die Praxis:
Bevor wir jetzt zu unserer Frage kommen, wollen wir noch die Etappen der klassischen Missverständnisse überspringen, wie sie uns eben [immer wieder] in den schlechten Zirkel der Ideologie zurückfallen lassen.
Wir bekommen in der Tat die Antwort auf unsere Frage ganz heiß serviert, in dem man uns, in der guten Sprache des Pragmatismus der „Evidenz“, sagt: Welcher Mechanismus, durch den die Produktion des Objekts der Erkenntnis die kognitive Aneignung des realen Objektes produziert? – aber das ist doch die Praxis! Dafür sorgt doch das Spiel des Kriteriums der Praxis! Und wenn dieses Gericht uns nicht satt machen sollte, dann ist man gerne dazu bereit, das Menü zu variieren und uns so viele Gerichte anzubieten, wie nötig sein werden, um uns zu satt zu bekommen. Man sagt uns: Die Praxis ist der Probierstein, die Praxis der Durchführung von wissenschaftlichen Experimenten, die ökonomische, politische, technische und [überhaupt] die konkrete Praxis! Oder auch noch, um uns davon zu überzeugen, dass dieser Antwort „marxistisch“ ist: Es ist die gesellschaftliche Praxis! Oder auch, damit „die Sache Gewicht bekommt“, die gesellschaftliche Praxis der Menschheit, wie sie abermilliardenmal während tausender Jahre wiederholt worden ist. Oder man servierte uns auch noch den unglücklichen Pudding von Engels, der aus Manchester jenes alimentäre Argument bezogen hatte: „The proof of the pudding is in the eating." (MEW 22, 296)
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Grußworte
Gern gesehenes Publikum, liebe Leute, verehrte Volksmassen, geliebte Arbeiterklasse!
Euch fällt die Aufgabe der Revolutionierung der Welt zu! Ihr als Arbeiter haltet den Schlüssel zum Glück in Händen, nämlich die Arbeit. Jetzt müsst ihr nur noch die politische Macht erringen und schwupps, wird das Leben auch wieder mehr Sinn und Spaß machen als in der heutigen knechtenden Unterordnung unter die Knute des Bourgeois.
Vielleicht bewundert ihr mich für meinen Sprechreichtum und mein Formulierungstalent. Aber nein; ich bewundere doch euch! Für eure stetige, unermüdliche Arbeit. Die Arbeiterklasse, jenes Gemisch der verelendeten, zerlumpten oder auch in Hemd und Sakko ausgebeuteten, erschöpften Werktätigen, trägt in sich den Keim der Befreiung der Welt und der Abschüttelung aller Ketten. So elend wie heute kann es nicht für immer bleiben. Am Horizont der Geschichte lockt die Übernahme der Macht durch das Proletariat. Die Erlösung ist nahe.
Bis dahin aber sind wir ja nun mal leider gezwungen, unter den unwürdigen Umständen der Lohnsklaverei zu arbeiten. Vielleicht kann euch mein bescheidenes Produkt dabei helfen, diese Podcastfolge ist nur rund eine Stunde lang, aber ich bin recht stolz auf die Episode und sehe sie als ein Glanzstück. Allerdings zeigt sie mir auch, wo gewisse Grenzen meiner Kunstkonzeption liegen. Ich bin nun etwas in Eile, kann euch daher nicht mehr sagen, weil ich bald verreise und noch packen muss. Also hört die Folge, lebt wohl und bis zum nächsten Jahr dann! Tischlein, deck dich wird sich im neuen Jahr daran messen, ob es endlich wirklich gelingt, »alles richtig reinzuschieben«, das heißt genug Zeit für die Podcastproduktion einzuplanen und somit in der Lage zu sein, mindestens jede Woche eine der heutigen vergleichbare Folge abzuliefern. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, der mich quer durch das Feld der Selbstzweifel, Prüfungen und Versuchungen führen mag, aber am Ende wird doch wieder ein voll gedeckter Tisch stehen und es wird im neuen Jahr der beste Tischlein, deck dich aller Zeiten produziert werden. Bis dahin grüße ich vor allem Juanita oder Manita oder Februar, wie ich dich ja auch schon nannte, meine Süße und wünsche dir ein schönes Leben. Ich mag nicht so tragisch tun, denn es hat nichts Tragisches, dich gekannt und geliebt zu haben. Das war eine wahre Revolution, ein Ausblick und Vorgeschmack auf die wirkliche, exzessive Freude, die uns Arbeitern bevorsteht, sobald wir endlich die Macht übernehmen und die Bourgeois vom Hof jagen werden. Dann nämlich regieren wir und bestimmen selbst über unsere Arbeitsbedingungen, Arbeitsstunden und nehmen die Fabriken in gemeinschaftlichen Besitz.
Dies wird die wahre Lust und Erotik sein, zu sehen, diese riesige, gigantische wirtschaftliche Potenz Deutschlands gehört nun auch mir, zu einem Bruchteil zumindest und wir alle haben ein Anrecht auf den Verzehr der damit produzierten Güter. Die Revolution und der Kampf um sie wird also viel schöner werden als alles, was wir uns heute vorzustellen imstande sind, inklusive der Liebe. Aber um sich schon mal daran zu gewöhnen, wie viel Lust, Souveränität, Glanz und Verausgabung man erleben kann, rate ich eben, heute in diesen leider so unrevolutionären, beständigen Zeiten die Liebe auszuprobieren. Ohnehin kommt man nie ganz um sie herum; warum da nicht gleich zielgerade auf sie zugehen?
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