#106 500 Jahre Imperialismus?
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500 Jahre Imperialismus?
Diese Folge sticht heraus. Ihr solltet sie euch merken. Nicht zuletzt, weil das darin getankte Selbstvertrauen in den kommunistischen Kampf für den beschleunigten Einsturz des Imperialismus die (triebökonomische) Basis dafür abgab, ab Folge 110 einen Rundumschlag zu starten gegen die von mir aufs Korn genommenen Kollegen Stefan und Wolfgang aus dem Neue Zwanziger Podcast.
„Wenn man den Imperialismus tritt, dann stürzt er ein“, belehrt uns Peter Hacks in seinem Aufatz „Georg Nostradamus – 500 Jahre Imperialismus“ aus seinem Sammelband „Marxistische Hinsichten“, erschienen im Eulenspiegel Verlag.
So muss man sich in vorrevolutinären Zeiten also neben der von Hacks ebenso aufgeworfenen Frage des Zeitvertreibs auch dem Rätsel stellen, wie der Imperialismus noch schneller zum Einsturz gebracht werden kann. Der Imperialismus ist wie in #89 besprochen für Hacks die an den Frühkapitalismus anschließende Epoche, die sich durch Monopolisierung in verschiedensten Industriesparten (Elektro, Chemie) kennzeichnet und (in Europa und den USA) um 1900 beginnt.
Wer sich Kommunist nennen will, muss auf den Umsturz des herrschenden Imperialismus hinwirken und sich Gedanken um das neu Aufzubauende machen.
Wer hier schon stehen bleibt und sich mit dem Imperialismus arrangieren möchte wie etwa Karl Kautsky, der muss aufs Schärfste enttarnt und bekämpft werden als Agent der Konterrevolution, der noch nicht mal aufgrund üppiger Bezahlung und Schmiergeldern der Kapitalisten so gefügig und treu ergeben ist, sondern aus Bewunderung und Ehrfurcht vor dem golden glänzenden Kapital einknickt und nur devote Forderungen ans für jeden hirnbesitzenden Denker als offenbar nicht für deren Erfüllung ausgelegtes politisches System richtet.
So schweife ich im Verlauf der Dekade ab Nr. 110 ab vom anvisierten Liebesthema und verstricke mich in die politischen Scharmützel, um die Unterschieden, Grenzziehungen und Demarkationslinien zwischen den Produzenten des für sich genommen wunderbaren Neue Zwanziger Podcasts und mir aufzuzeigen.
Zwischen dem revolutionären Avantgardisten, Vordenker oder Parteisoldaten und andererseits dem linksliberalen, ans öffentlich-rechtliche oder private Mediensystem angegliederten Journalisten liegt ein abgrundtiefer Graben. Hierüber hinweg kann nur der Sprung eines Löwen helfen, die unbändige Bildung im Studium von Marx, Lenin usw. und die Praxis als Agitator, Organisator oder Denker im gemeinsamen Kampf für den Kommunismus.
Es gibt zwischen diesen beiden Standpunkten keine Versöhnung, keinerlei Anschlussfähigkeit. Sehr wohl anschlussfähig sind diese opportunistischen Denker allerdings ins bürgerliche Milieu, zu den grünbraunen Amtsinhabern, die den derzeitigen Wirtschafts- und Militärkrieg gegen Russland an der Seite eines profaschistischen Regimes orchestrieren, das sich in Teilen positiv auf die deutsche Besatzung und Eingliederung der Ukrainer in den Kampf gegen die Sowjetunion bezieht (wie dieser Tage wieder offenkundig wurde anhand eines Social Media Posts von Selenski mit dem Wappen einer ukrainischen SS-Division).
Ein mörderischer, aus der Wahnidee des Chauvinismus und der rassischen Dominanz geborener und auf die Vernichtung der sowjetischen Völker ausgerichteter Kampf, der sich ab dem 22. Juni 1941 entfesselte.
Solche Kriege sind dialektisch und materialistisch zu analysieren. Sie sind Erscheinungen, die sich in Walter Ulbrichts Zyklus aus „Krise, Depression, Konjunktur, Krieg“ einbetten. Man begeht einen schweren Fehler, wenn man sie essentialisiert. Sie sind Ausdruck ökonomischer Tatsachen und Probleme, so wie der in heutiger Zeit stattfindende US-Drohnenkrieg Ausdruck der Absatzinteressen der Rüstungsindustrie und des deep state ist. Hier ist kein einzelner schuld, aber insgesamt kann festgestellt werden, dass diese Macht des US-Imperiums das absolut Böse in der derzeitigen historischen Epoche darstellt. Wer das nicht zu sehen vermag, ist geistig wohl stark eingeschränkt durch die Schere im Kopf und den erpresserische Zwang zur Freiheit, den der Westen seinen Bürgern auferlegt.
Für eine gewisse Epoche mag es angehen, unpolitisch bleiben zu wollen, oder wie diejenigen, die den 2. Weltkrieg selbst miterleben mussten, sich nach dieser Katastrophe aufs Private zu besinnen und nicht mehr zu politisieren. Allerdings kann das heute kein valider Standpunkt mehr sein, wo wir an eine brutale imperialistische Macht wie die USA angegliedert sind, die uns in immer neue Kriege verwickeln will. Wer sich hier auf die Grundprämissen des westlichen Diskurses einlässt, der taucht seine Hand in ebenjene Klärgrube des Halbfaschismus, der die pluralistische Öffentlichkeit ist und sollte daher über den Gestank nicht verwundert sein. Ob man dann als Linksliberaler noch ein bisschen kritisch analysiert und den Bellizismus beklagt mit ernstem Gesicht oder wie der Springer-Chef Mathias Döpfner das sofortige Eskalationsarsenal herausholen möchte, weil man in der Stärke der Nato seine eigene verortet, das macht keinen großen Unterschied mehr. Diese beiden Fraktionen sind stramm eingegliederte Teile des deutschen angriffslustigen Imperialismus, der nun Russland und bald womöglich auch China in die Knie zwingen will.
„Du, lieber Bourgeois, sagst, China sei unser Feind? Also gut, dann beweise ich dir, warum China unser Feind ist“. So umreiße ich in #110 die erbärmliche „Haltung“ des NZP gegenüber der bourgeoisen Einheitsfront, die sich China als nächstes Opfer der exorbitanten Militär- und Wirtschaftsmacht der Natonationen vornehmen möchte.
Statt die autoritären Mittel und menschenverachtenden Zwecke der hierzulande obwaltenden Kapitalmacht offenzulegen, ergeht man sich in diesem kleinbürgerlichen Podcast lieber in sogenannten Enthüllungen über chinesische Überwachung oder Arbeitslager in Xinjiang.
Ja, sehr oft wünschte ich mir dieser Tage den guten Tilo Jung zurück, der im Aufwachenpodcast oft eine grundrichtige unversöhnliche Feindschaft gegen die Politik der USA an den Tag legte und deren faschistische Vorgehensweisen weltweit unnachgiebig anprangerte, auch wenn er nicht so viel heiße Luft produzieren konnte wie Stefan, und sich vermutlich daher oft unterlegen fühlte in der Debatte, wobei er den grundrichtigen Standpunkt vertrat.
Wer ernsthaft an dem Standpunkt des Kleinbürgers festhält, der sich an den bourgeoisen Diskurs ranwanzen und anbiedern will, und eine Position einnimmt, in der wir als Deutsche oder Europäer mit „universalistischen“ Grundprinzipien, die im Himmel schweben – statt der materialistischen Bestimmungen Proletarier oder Bourgeois – und die wir gegen die angeblich menschrechts-relativistischen Chinesen zu verteidigen hätten, mit der uns knechtenden Elite in Wirtschaft und Politik gemeinsame Werte teilten, der spinnt ja einfach. Wir sollten den barbarischen Terror der USA enthüllen, der hierzulande via Ramstein, Stuttgart oder Büchel, wo die Atomraketen lagern, geführt wird oder noch werden kann. Die Chinesen dagegen sollten wir einfach machen lassen und hoffen, dass sie im Gegensatz zu uns ein etwas besser funktionierendes politisches System gefunden haben, das sie nicht zu ständig neuen Angriffskriegen und wirtschaftlicher Unterdrückung ihrer Nachbarvölker zwingt, wie es bei uns scheinbar keine Alternative zur Ausblutung von Ländern wie der Ukraine oder Argentinien via IWF gibt.
Wie Marx in seiner Schrift „Zur Judenfrage“ zeigt, sind die Menschenrechte innerhalb des Rahmens der bürgerlichen Gesellschaft kein Fortschritts- sondern Unterdrückungselement, das nur durch die revolutionäre Umgestaltung der Lebensbedingungen und der gesellschaftlich produzierten Individuen zu überwinden ist. China ist auf dem Weg dorthin oder versucht zumindest, in einer schwierigen geopolitischen Ausgangslage Handlungsspielräume zu erschließen basierend auf der marxschen Theorie. Gegen den Imperialismus anzukommen ist aber schwierig und daher treten notwendig Widersprüche auf und Differenzen zu unserer politischen Verfassung und zivilen Rechten, die wir wahrnehmen können und ansprechen dürfen, aber kritisieren sollten wir sie erst, wenn wir uns auf ein den Chinesen ebenbürtiges Niveau gestellt haben und ebenso die Revolutionierung der Gesellschaft vorantreiben, was hierzulande mit der Konterrevolution von 1989 endete. Der Starke darf einfach stark sein, und jeder hätte ja die Freiheit, sich vom Tellerwäscher zum Millionär hochzuarbeiten.
Mehr hat der Liberalismus nicht zu bieten und wer davon nicht überzeugt ist, der kriegt es mit der Nato zu tun. Dass sich da kleinere, im Vergleich mit westlichen Staaten und Militärbündnissen schwächere Länder wehren, weil sie bei der Ausbreitung dieser zynischen Gesellschaftsvision auf ihr eigenes Land nicht mitmachen wollen, ist nur logisch.
Ich will mich aber hier noch nicht zu lange mit China aufhalten, das ich wenig kenne. Wichtig ist mir vor allem die historische Bildungsarbeit über die Sowjetunion, auch weil Russland und die restlichen Staaten uns kulturell näher liegen und wohl leichter zugänglich sind. Zudem ist die Russische Revolution ja auch ein entscheidendes Vorbild für Mao und seine Partei, die heute glücklicherweise noch regiert, als fast letzte Macht, die sich der Konterrevolution entgegenstellt.
Zuletzt noch etwas Subjektives. Selbstverständlich hängt die Denkposition von der materiellen Position des Denkers ab. Wenn also jemand die „Wende“ 1989 für sich als biografischen Gewinn erlebte, dann ist es ja nachvollziehbar, eine grenzenlose Bewunderung und Dankbarkeit für die westlichen Mächte zu empfinden. Ein knappes Studium der Geschichte sowohl vor als auch nach 89 genügt aber, um zu folgern, dass diese Mächte keineswegs den Frieden und die Zusammenarbeit der Völker promovieren, sondern Krieg und Zerstörung im Ausland säen. Es ist also völlig legitim, aus individueller Sicht zunächst seinen eigenen biografischen Nutzen zu suchen, so wie heute glücklicherweise viele aus weniger reichen asiatischen, afrikanische, südamerikanischen Ländern nach Deutschland kommen.
Eine politische Haltung wird daraus aber noch nicht und noch viel kruder wird das Ganze, wenn man Migration als das Heilmittel für unsere – im Weltmaßstab extrem vernachlässigbaren – ökonomischen, demografischen Probleme anpreist. Man hat ja im Zuge der Angliederung der ehemaligen DDR gesehen, dass dies kein Konzept sein kann. Zwar kann jeder, der will, in den Westen gehen und dort mehr verdienen, aber im Osten (der von Eisenach bis Wladiwostok reicht) wurden keine gleichwertigen Produktionsstrukturen aufgebaut und bestehende wirtschaftliche Erzeugungsweisen abgebaut. Dies folgt der inhärenten Logik des postfaschistischen Westens. Man möchte die Länder und Menschen im Osten niederhalten, weil man in ihnen Konkurrenten wähnt und schreibt ihnen ruinösen Wirtschaftspolitiken vor, etwa durch die Erpressung des IWF, der sein Geld nur gegen diktatorische Eingriffe in die Politik dieser vermeintlich autonomen Länder hergibt, deren Souveränität beschneidet und sie etwa wie Argentinien jahrzehntelang in Schuldknechtschaft hält, so als sei dieses Mittel, für seine Schulden ins Gefängnis zu müssen, nicht schon vor etwa zweihundert Jahren abgeschafft worden aus der inneren Logik des Kapitalismus heraus, der neues Wachstum braucht und nichts davon hat, bankrotte Schuldner einzusperren, wie damals offenbar wurde, als dem Kapitalismus noch an Entwicklung und Dynamik gelegen war, was heute wohl nicht mehr der Fall ist, wo wir den europäisch-amerikanischen Reichtum akkumuliert haben und diesen vor dem Zugriff anderer Länder schützen zu müssen glauben.
Für die Individuen in den beherrschten Gebieten, den „Randzonen“ des globalen Imperiums, der globalisierten Ökonomiemaschinerie, bleibt der Westen weiterhin Sehnsuchtsort und Ziel der migrantischen Bewegungen. Für die politischen Führer dieser Länder allerdings verlieren die hohlen Versprechen des Westens glücklicherweise an Glaubwürdigkeit und sie wenden sich friedliebenderen, kooperativen Mächten wie China und Russland zu, von denen sie nicht prinzipiell als Feinde und Untermenschen betrachtet werden, wie es der Westen tut, der nur seine Autos und Produkte exportieren, aber keine Hilfe beim Aufbau der Binnenwirtschaft und Stabilisierung des Außenhandels leisten möchte. Der Westen hat kein Konzept zur Integration, was am Beispiel Ukraine wieder mal deutlich wurde. Zum Glück ist er nun moralisch bankrott und jeder Erdbewohner kann seine Schlüsse ziehen aus den imperialistischen Grausamkeiten, die Mal um Mal von den ach so demokratischen westlichen Regimes angerichtet werden.
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